Fastenpredigten 1958

Passions- und Kreuzesheilige: ãDornengekršnt und gekreuzigt mit ChristusÒ

3.    Die gottselige Anna Katharina Emmerik

 

Bisher habe ich zwei passions- und Leidensheilige zu schildern versucht, die ihre Heimat in Italien hatten: Die hl. Gemma Galgani und der hl. Gabriel Possenti von der schmerzhaften Gottesmutter.

Heute mšchte ich euch kurz eine Leidensbraut schildern, deren Wiege in deutschen Landen stand. Die Kirche hat sie noch nicht selig- oder heiliggesprochen. Deswegen dŸrfen wir uns aber doch erbauen an ihren Tugenden und vor allem an ihrer innigen Verbundenheit mit dem dornengekršnten und gekreuzigten Heiland:

Im Bauerndorf Flamske bei Coesfeld in Westfalen stand das Elternhaus dieser edlen Frauengestalt und Dulderin, die heute vor uns stehen soll und uns zu Gebet und Bu§e in Verbundenheit mit dem leidenden Herrn aufrŸtteln soll:

Dort, in Flamske, wurde am Fest Mariae Geburt, 8. Sept. 1774, dem armen Kleinbauern Emmerik zu den anderen Kindern, die er schon hatte, ein Tšchterlein geboren, das in der Taufe die Namen Anna Katharina erhielt. Sie war von frŸhester Kindheit an ein besonderes Gnadenkind, in ihrem Charakter rein und lauter, in ihrem Leiden ergreifend und erhaben, in ihrem Opfern und SŸhnen ein Vorbild auch fŸr unsere Zeit.

Annekathrin war ein stilles, in sich gekehrtes, aber allzeit fršhliches Kind, der Liebling aller, vor allem des Vaters, der es glŠnzend verstand, in dieser seiner Tochter die Keime des Guten und vor allem der Fršmmigkeit in frŸhester Kindheit zu wecken durch Beispiel und Wort.

Schon mit 4 Jahren Šu§erte das Kind in wirklich ergreifender Weise eine tiefe, zarte Fršmmigkeit und eine opferbereite Liebe zum Heiland und zur Gottesmutter.

In einer Scheune hatte sich Annekathrin ein Bild der Gottesmutter mit dem gšttlichen Kind aufgehŠngt. Davor hatte sie ein kleines Brettchen angenagelt, das war ihr Opferaltar. Wenn sie nun einen Apfel oder ein StŸck Zucker oder sonst etwas geschenkt erhielt, ging sie heimlich damit in die Scheune, legte es auf ihren Opferaltar nieder und sagte: ãLieber Heiland, ich schenk dir das!Ò – So heimlich Annekathrin dies auch tat, ihr kleiner Bruder Bernd merkte es meistens doch und holte sich nachher heimlich die Opfergaben seiner Schwester. Auch er hielt Zwiesprache mit dem Heiland und der jungfrŠulichen Mutter, aber nicht um ihnen etwas zu schenken, sondern um ihnen etwas zu nehmen: ãGelt, ihr zwei, das schenkt ihr mir doch? Oder? Ach, ihr sagt nichts?! Dann seid ihr also einverstanden! VergeltÔs Gott!Ò

Mit 4 Jahren schon wurde Annekathrin bei der Feldarbeit eingespannt. Dem Vater half sie auf dem Feld. Sie fŸhrte den Ackergaul, der Vater lenkte den Pflug oder die Egge. In aller HerrgottsfrŸhe begann die Arbeit. Und wenn von den Coesfelder Kirchen die Glocke zum Engel des Herrn oder zur Hl. Messe lŠutete, beteten die zwei auf dem Feld drau§en zusammen und unterhielten sich Ÿber geistliche Dinge. Und da kamen aus dem Mund der 4 – 5 jŠhrigen Gedanken heraus, die dem Vater hšchst sonderbar vorkamen: Annekathrin war hellseherisch veranlagt und sah den Menschen bis ins Herz hinein und erkannte, ob sie in der Gnade Gottes oder in der TodsŸnde lebten, sie schaute in die Ferne und sah z.B., wie die franzšsische Kšnigsfamilie in Paris hingerichtet wurde; sie sah Leid und Not anderer und bat den Heiland, diesen Menschen das Leid wegzunehmen und es ihr aufzuladen, sie sah ihren Schutzengel, sie spŸrte wenn der Priester mit dem Allerheiligsten auf dem Weg zu einem Kranken des Weges kam, auch wenn er noch mehr als eine halbe Stunde entfernt war...

Der Vater befahl dem MŠdchen, Ÿber all diese au§erordentlichen Dine zu schweigen und viel zu beten, damit der bšse feind sie nicht verwirre durch allerlei Einbildungen und Phantastereien.

Diese Schauungen und Gesichte Ÿberfielen Annekathrin mitten wŠhrend der Arbeit. Aber das Au§erordentliche ist nicht so hervorstechend an Katharina Emmerik. Viel mehr noch leuchtet an ihr eine ganz gro§e Liebe zu den Armen und eine grenzenlose Hilfsbereitschaft hervor: Einem Bettler konnte das Kind Annekathrin auch das letzte Brot aus der Schublade oder auch die eigene SchŸtze und den eigenen Rock geben. Und wenn sie hellseherisch von UnglŸcksfŠllen, Krankheiten und schweren SŸnden erfuhr, betete sie stundenlang und leistete SŸhne.

Eine unglaublich gro§e SŸhnebereitschaft erwachte in dem jungen MŠdchen immer mehr. Kaum hatte sie die hl. Sakramente zum ersten Mal empfangen, da war sie nicht mehr davon zurŸckzuhalten, dem Heiland SŸhne zu leisten fŸr die SŸnden der Menschheit. Das Kind schlief auf Holzscheitern oder Brennnesseln, die es sich ins Bett legte, verzichtete auf alles Wohlschmeckende und bat den Heiland, anstelle der SŸnder die Strafen fŸr ihre SŸnden auf sich nehmen zu dŸrfen.

Schon das Kind Anna Katharina war in wirklich tief ergreifender Weise eine Opfer- und SŸhneseele aus ganz gro§er, glŸhender Liebe zum gekreuzigten Heiland!

Die Schulzeit dauerte damals nicht lange. Bald schon, mit 12 Jahren, musste Annekathrin auf einen Dienstplatz zu einem Bauern. Ihr stiller Wunsch aber war, Christus einmal ganz angehšren zu dŸrfen im Ordensstand. Aber das war zu damaliger Zeit gar nicht so leicht. Da musste jedes MŠdchen eine gehšrige Aussteuer mitbringen, sonst wurde es im Kloster nicht genommen.

So wollte Annekathrin, die bei der Arbeit flei§ig zupackte, sparen anfangen, um die Aussteuer zusammenzubringen. Aber alles, was sie erhielt, wanderte gleich immer weiter in die HŠnde der Armen. Sie konnte einfach niemand Not leiden sehen.

Nach drei Jahren kam sie als LehrmŠdchen und Gehilfin zu einer Schneiderin in Coesfeld. Annekathrin hatte flinke HŠnde und viel Geschick zum NŠhen, sie brachte es aber doch zu nichts, denn jeder Groschen wanderte weiter. Sie musste einfach – mit unwiderstehlichem Drang – Gutes tun. Arbeiten – Beten-BŸ§en, ein ungewšhnlicher Lebensinhalt fŸr ein junges MŠdchen in der BlŸte der Jahre. Nun war sie schon Ÿber 20 und hatte noch keine Aussteuer beisammen fŸrs Kloster.

Da erfuhr sie, dass die Klarissenschwestern in MŸnster MŠdchen auch ohne Aussteuer nehmen, wenn sie dafŸr tŸchtig Orgel spielen kšnnen.

Was tat Annekathrin? Sie ging in Stellung beim Organisten Sšntgen in Coesfeld; sie wollte ihm und seiner Familie deinen ohne Gehalt, nur unter der Bedingung, dass er ihr das Orgelspielen beibringe. Als Ana Katharina jedoch die beispiellose Armut dieses Haushalts kennenlernte, da griff zu mit beiden HŠnden zu, um die Organisten Familie vor dem Verhungern zu bewahren. Jede Arbeit war ihr willkommen, die ihr einen Laib Brot oder einen Korb GemŸse eintrug fŸr die Organisten Familie. Es ist klar, dass dabei aber an ein Erlernen des Orgelspiels nicht zu denken war. DafŸr aber erwachte in der Tochter des Organisten, Klara, die sehr gut Orgel spielen konnte, ebenfalls der Ordensberuf.  Mehrere Klšster bewarben sich um Klara. Der Vater aber sagte, er gebe seine Tochter nur jenem Kloster, das auch seine Magd Anna Katharina nimmt.

So traten schlie§lich beide, Klara Sšntgen und Anna Katharina Emmerik, am 13. Nov. 1802 bei den Augustinerinnen in DŸlmen ein.

Die Schwestern hatten an Anna Katharina Emmerik nicht viel Freude. Sie meinten, dieser blasse, krŠnkliche junge Mensch sei nicht arbeits- und leistungsfŠhig und wŸrde dem Kloster nur zur Last fallen.

Anna Katharina Emmerik aber war glŸcklich, das Ziel erreicht zu haben und dem von ihr so innig geliebten Heiland im Kloster dienen zu dŸrfen. Die kalte, feuchte Klosterzelle kam ihr wie das Paradies vor, nur weil sie wusste, dass sie nun mit dem eucharistischen Heiland unter einem Dach wohnte und lebte und weil sie im Chorgebet und in der Betrachtung, in der Arbeit und im Leiden Christus nun ganz nahe sein konnte.

In rascher Folge kamen und gingen in der Noviziats Zeit die Visionen, mit denen sie begnadet war. Sie schaute das Leben Christi, das Leben der Gottesmutter, sie schaute vor allem das Leiden Christi, das sie innerlichst erschŸtterte und aufwŸhlte.

Da sie aber von ihrem Innenleben nichts verriet, kam sie manchen ihrer Mitschwestern seltsam und sonderbar vor. Nur mit knapper Not wurde sie nach einem Jahr zur Profess, zur GelŸbde-Ablegung zugelassen.

Ohne dass ihre Mitschwestern etwas wussten, trug Anna Katharina damals schon in geheimnisvoller weise die Dornenkrone.

WŠhrend sie noch beim Organisten Sšntgen im Dienste war, kniete sie einmal am Chor neben der Orgel und betete in tiefer Andacht versunken. Da sah sie, wie der Tabernakel sich šffnete und der Heiland herauskam, zu ihr ging, in der einen Hand einen Blumenkranz, in der anderen Hand eine Dornenkrone. Un der Herr bot Anna Katharina beides zur Wahl an. Und sie wŠhlte die Dornenkrone. Da setzte sie ihr der Herr aufs Haupt. Sie aber drŸckte dankbar froh darŸber, dass sie so dem leidenden Herrn Šhnlich werden dŸrfe, die Dornenkrone noch fester und tiefer in ihr Haupt. Unter heftigen Schmerzen kam sie nach dieser Vision wieder zu sich. Das Blut rann ihr von Stirne und SchlŠfen. Als Beweis fŸr die Wirklichkeit dieser Erscheinung blieben ihr nicht nur die Kopfwunden, die sie durch ein Stirnband vor neugierigen Augen verbarg, sondern auch ein quŠlendes Kopfweh. Ihre Gesundheit verfiel mehr und mehr. Wenn sie von FieberanfŠllen und HerzkrŠmpfen geschŸttelt wurde, hatten ihre Mitschwestern meist kein VerstŠndnis fŸr sie und ihr Leiden. Nur eine, Klara Sšntgen, die Organistentochter, nahm sich dann ihrer an. Wenn Anna Katharina Emmerik konnte, war sie weiter aber ganz treu und gewissenhaft bei der Arbeit in der WaschkŸche, in der Sakristei, in der Backstube.

Neun Jahre war sie im Kloster, glŸcklich und zufrieden, trotz aller Leiden, die sei immer dem leidenden Heiland aufopferte, zur SŸhne fŸr die SŸnden der Menschen...

Da kam im November 1811 ein ganz harter Schlag. Damals, in der napoleonischen Zeit – es war noch dazu die Zeit der AufklŠrung – wurden viele Klšster aufgelšst. Auch das Augustinerinnenkloster in DŸlmen traf die Auflšsung. Die Schwestern wurden fortgeschickt. Anna Katharina Emmerik fand ein ganz bescheidenes StŸbchen in DŸlmen bei einer Witwe Roters.

Der Umzug und die seelischen Aufregungen der letzten Monate hatten ihr Leiden so verschlimmert, dass sie dem Sterben nahekam und versehen wurde. Je mehr sie aber kšrperlich verfiel, umso lebendiger und reicher, aber auch umso schmerzhafter wurden die Offenbarungen, die ihr nun zuteilwurden.

Viele Monate hindurch litt sie mit dem gšttlichen Schmerzensmann, ans Krankenlager gebunden, die Qualen der Passion in allen Einzelheiten mit, bis sie im Dezember 1812 auch die Šu§eren Zeichen der Kreuzespassion, die Wundmale empfing.

In Scham und schrecken suchte sie diese zuerst zu verbergen. Es gelang ihr aber nicht. Bald bildete sie das StadtgesprŠch. Die leidvollen, peinlichen Untersuchungen... KrŠnkungen Ÿber KrŠnkungen... Sie wurde als Schwindlerin und BetrŸgerin hingestellt, aber bei den beschŠmenden Untersuchungen stellte sich immer das Gegenteil dann heraus.

Sie opferte alles auf, still und demŸtig, fŸr die Kirche, fŸr die Bekehrung der SŸnder.

Drohungen, SchmŠhungen und Gewalt wurden gegen sie angewandt.

Von vielen wurden ihre Wundmale und ihre Visionen als TŠuschung oder als Betrug hingestellt. Wer sie aber in ihrem furchtbaren SŸhneleiden erleben konnte und dabei ihre Geduld im Leiden, ihre unbefangene Schlichtheit und die Wahrhaftigkeit ihres Wesens kennenlernen konnte, wagte nicht mehr, einen solchen Vorwurf gegen die gro§e Dulderin auszusprechen.

So erging es auch dem damals schon bekannten und berŸhmten Dichter Clemens Brentano.

Ihn interessierten vor allem die Ekstasen und Visionen der Gottesbraut und Leidensbraut. Er schrieb alles genau auf. Aber was ihn noch mehr ergriff, das war im tŠglichen Beisammensein von 5 Jahren die tiefe, schlichte Fršmmigkeit, der kindlich-demŸtige Glaube, die strahlende Gottesliebe, die alles Leid verklŠrte. Dieses Erlebnis war fŸr den Dichter so gro§, dass es den unruhigen Geist dieses genialen Menschen von Grund auf umwandelte und ihm endlich den inneren Herzensfrieden wiedergab.

Am 9. Februar 1824 erlosch das flackernde Licht eines Menschenlebens, das Gott durch ein Fegfeuer von Schmerzen gelŠutert, aber auch aufs Hšchste begnadet hatte durch Teilnahme an seinem eigenen Erlšser- und SŸhneleiden.